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Robinsons Sprachen: Zwischen öffentlichen und privaten Worten
Oeffentliche Sprache
„die Verbindung der Oeffentlichkeit mit der Sprache ist einfacher zu erklaeren als gedacht. … die Teilnahme an einer Sprache ist nicht einfach so moeglich. „
Wie wir Menschen bereits als Saeuglinge – vermutlich schon intrauterin – Sprache lernen, bis wir dann nach einigen Jahren kommunizieren koennen, kann niemand sagen. Bisher hat keine Wissenschaft einen Zugriff auf diesen Erwerb, ausser vom Sprachverhalten ausgehend im Zusammenhang mit neurowissenschaftlicher Grundlagenforschung Annahmen zu formulieren. Danach sorgt unsere gesamte neuro-sensorische Organisation dafuer -so aehnlich wie fuer anderes – mit ihrem bewaehrten Prinzip: sensorieren – verarbeiten, d.h. neuronale Netzwerke bilden – reagieren.
Eine oeffentliche Sprache lernen‘ hiesse demnach eine individuelle Variante der oeffentlichen Sprache lernen, die mit derjenigen anderer Individuen kompatibel sein muss, um Kommunikation zu ermoeglichen. M.E. duerfte man daraus schlussfolgern koennen, dass ‚oeffentliche Sprache‘ weder homogen noch fix sein duerfte, was sich auch darin niederschlaegt, dass wir behaupten jemand spricht gutes, bzw. richtiges Deutsch oder schlechtes Deutsch. Fuer Robinsons Sprachentwicklung auf seiner menschenleeren Insel koennte dies heissen, dass seine Sprache im Lauf der Zeit mehr oder weniger grosse Abweichungen von der oeffentlichen Sprache in England aufweisen duerfte.
Die oeffentliche Sprache duerfte also staendigen Veraenderungen unterworfen sein. Fachsprache, Jugendsprache, literarische Sprache, Journalistendeutsch usw. bezeichnen weitere ‚insel’aehnliche Sprachraeume. Immigranten vermischen ihre Sprachen mit der oeffentlichen deutschen Sprache. Jeder Benutzer der oeffentlichen Sprache ist m.E. gleichzeitig Nutzer dessen, was er im Zuge der Kommunikation vorfindet und regt durch seinen Sprachgebrauch semantische und grammatikalische Veraenderungen an.
Privatsprache
„Ueber die Moeglichkeit einer privaten Sprache, die ein Individuum nur mit sich selbst und niemand anderen ausmacht, diskutieren Philosophen seit Dekaden.“
Ich wuerde sagen, derartiges gibt es. Vielleicht nicht so ‚absolut‘ wie Metaphysiker sich das denken, eher partiell und situativ. Immer da wo jemand mit sich selber alleine ist, koennte es diese private Sprache geben. Aus diesen einsamen Raeumen duerften auch Anregungen fuer die ‚oeffentliche Sprache‘ entstehen, wie Literaten, Dichter und Philosophen immer wieder demonstrieren. Diese private Sprache duerfte vermutlich nie ohne Rueckbezug zur oeffentlichen gestaltet sein – was sich aus dem Spracherwerb ergibt, aber sie koennte vor allem individuelle semantische Auspraegungen verstaerken und diente der Klaerung dessen, was in einem Menschen geschieht. Auch Gruppen erzeugen so etwas wie eine ‚private Sprache‘.
„Worte um ueber sein Innenleben Auskunft zu geben“
Die semantische Vielfalt von einzelnen Woertern, Satzkonstruktionen, Texten, Gedichten scheint mir die Attraktivitaet der philosophischen Sprachforschung zu begruenden. Im Hinblick auf das oben beschriebene ‚Sprache lernen‘, das immer im Kontext von eigenen Erlebnissen entsteht, duerfte man davon ausgehen koennen, dass kein Wort fuer zwei Menschen die gleiche Bedeutung hat. Diesen Unterschied halte ich fuer unhintergehbar. Er duerfte im Zusammenhang mit Auskuenften ueber das eigene Innenleben noch deutlicher zu Tage treten.
Kommunikationsstoerungen entstehen m.E. vor allem deshalb, weil Menschen spontan dazu neigen, eigene Bedeutungen den Worten des Gespraechspartners zu unterstellen, bzw. sie absolut zu setzen. Auf diese Weise wird Sprache alltaeglich missbraucht.
allgemeingueltige Sprache
Ich gehe davon aus, dass die Bezeichnung ‚oeffentliche Sprache‘ genauso unzureichend wie andere sprachliche Bezeichnungen etwas fassen koennen, was im Sinne von ‚allgemeingueltig‘ sein koennte. Mir scheint ‚allgemeingueltiges‘ ein ausgetraeumter Traum der Philosophie, eine schmerzliche Einsicht. In frueheren Zeiten konnte man sich innerhalb hierarchischer Verfassungen die Marginalisierung der individuellen Abweichungen von der gerade dominanten Theorie leisten. Dies geht heute nicht mehr. Menschen moechten ueber sich selber bestimmen und gesellschaftlich so mitwirken, wie es ihnen entspricht und nicht irgendeiner Theorie.
Ich meine, dass Philosophen Moeglichkeiten finden koennten, diese autonomen Bestrebungen zu unterstuetzen und Kriterien fuer deren Umsetzung gemeinsam mit anderen zu entwickeln. Wir koennten moeglicherweise gemeinsam mit Hilfe der Kommunikation Einigen untereinander ermoeglichen, wenn wir miteinander gemeinsam handeln moechten. Aber im Moment habe ich den Eindruck wird unser gesellschafts-politisches Leben nicht vom dem Beduerfnis nach einem gemeinsamen Handeln bestimmt. Dies gaelte es anzuregen. Politiker denken und handeln von oben nach unten und die demokratisch Beherrschten von unten nach oben. Diese hierarchischen bzw. autoritativen Verhaltensmuster, die institutionalisiert sind, d.h. nur sehr, sehr schwierig zu veraendern sein duerften, koennten m.E. durch eine Optimierung philosophischen Denkens und Handelns, das von Sach- und Personenverhalten ausgeht, veraendert werden.
Die Schmerzen – die immer entstehen, wenn Neues geboren wird -, duerften durch die Aussicht auf ein menschlicheres Miteinander ertraeglich werden koennen. Ermutigend koennte auch noch folgender Blick sein: Wenn es tatsaechlich moeglich waere, menschliches Handeln und Denken in jeder Hinsicht zufrieden stellend und damit ja fuer alle Zeiten feststehend theoretisch zu begruenden, haetten ausgerechnet diejenigen die diesem Ziel philosophierend lebenslang hinterher jagen, am wenigstens Freude daran. Denn aus meiner Sicht sind Philosophen alle Freidenker. Harald Lesch hat vor einiger Zeit dazu gesagt: „Und was machen wir, wenn wir DIE WAHRHEIT gefunden haben?“
Ergaenzend dazu fuer Philosophieversessene
Davidsons Kritik am „3. Dogma des Empirismus“