Die Wahrheit kannte keiner, noch kennt sie jemand, …

… noch wird sie jemals jemand kennen. (Xenophanes aus Kolophon, ca. 570-480 v.u.Z.)   

Die Grenzen des Individuellen zu akzeptieren, scheint traditionell gepraegten Philosophen nicht zu gelingen. In irgendeiner Art und Weise befinden sie sich immer noch auf dem Weg, Objektives bzw. Wahres  zu entdecken. Dies gilt fuer renommierte Philosophen der Gegenwart genauso, wie fuer viele unbekannte Philosophierende, die sich von deren (Sehn-) Sucht haben anstecken lassen. Taetigkeiten wie ‚verifizieren‘ bzw. ‚falsifizieren‘, Auffassungen wie, es gaebe sowohl eine ‚oeffentliche‘ als auch eine ‚private Sprache‘ zeugen davon.

Ich gehe davon aus, dass dies die Folgen von Entscheidungen sind, die gefaellt wurden, nachdem die christliche Wahrheit vor Jahrhunderten gesellschaftlich verankert worden war. Buecherverbrennungen sowie die Schliessung antiker philosophischer Institutionen markieren diese historisch. Die christliche Wertschaetzung fuer Pythagoras, Platon, Plotin … etc. muendete in die Metaphysik als Charakteristikum der Philosophie. Augustin Thagastes Schrift ‚Ueber die wahre Religion‘ thematisiert diese Entscheidung und damit den hochspekulativen Charakter der abendlaendischen Philosophie. Er verfolgte mit anderen Zeitgenossen die platonisch-plotinische Idee, gemaess der es moeglich sei, Individuelles zu verlassen und jenseits individueller Grenzen Wahrheit zu finden.

Der zetetische oder skeptische, d.h. forschende Charakter vieler griechischer Philosophien der Antike wurde dagegen ignoriert, bzw. sogar so uminterpretiert, als sei Wahrheitssuche schon vor der christlichen Zeit von zentralem philosophischen Interesse gewesen. Aus meiner Sicht handelt es sich hier um einen folgenschweren Irrtum, der nur vor dem Hintergrund christlich-religioeser Beduerfnisse nachvollziehbar ist. Dieser Irrtum machte weitere Entscheidungen unumgaenglich, die schliesslich unter Philosophen u. a. zu einer unuebersichtlichen Begriffsvielfalt fuehrten, die man argumentativ zu beherrschen suchte. Auch heute noch sind Vertreter der Analytischen Philosophie damit beschaeftigt, verbindliche Kriterien fuer ueberzeugende Argumente zu finden. Es wird nicht bemerkt, dass die Praxis ‚recht haben zu wollen‘ eine Folge der oben erwaehnten Entscheidung fuer die Gleichsetzung von Metaphysik mit Philosophie ist.

Ich kann keinen konkreten Anhaltspunkt dafuer finden, dass ich denkend und handelnd meine individuelle Welt verlassen kann. Rolf Reinhold aeussert sich dazu sinngemaess so: „Ich bin meine Welt und sie veraendert sich mit jeder neuen Situation. Es ist mir nur moeglich, Dinge meiner Welt zu betrachten und ueber sie zu reden bzw. zu schreiben. Dinge, das ist das, was ich wahrnehme, besser gesagt ’sensoriere‘ . Ich sehe bzw. fuehle sie und ich gehe davon aus, dass u. a. Sensoren, Gehirn, Organe … etc. an ihrer Produktion – wie auch immer – mitwirken. Mehr als nur minimale Schlussfolgerungen ziehe ich nicht. Ich veraendere sie, wenn sie dysfunktional wirken. Ich moechte mit anderen zusammen handeln, ‚recht haben‘ interessiert mich nicht.“

 Dass auch ich mich derart konsequent beschraenkt sehe, unterscheidet mein ‚denken‘  bzw. ‚philosophieren‘ deutlich von dem anderer. Traditionell gewachsene Kategorien passen nicht mehr. Sie taugen nicht als Instrumente, um ‚physistisch philosophieren‘ so aufzufassen, dass damit ‚anders philosophiert‘ werden kann. . Vor allem akademisch gepraegte Philosophen werden dadurch irritiert. Sie gehen davon aus, dass ’nachdenken‘ bzw.  ‚philosophieren‘ sich  innerhalb von bestimmten historisch gewachsenen Begriffen ( im Geist, im Bewusstsein, subjektiv, objektiv … etc.) vollziehen muss. Ich kann ohne diese ‚Bezeichnungen‘ auskommen, weil ich nichts mehr kenne, was sie ‚bezeichnen‘ koennten. Ich habe ihnen jahrzehntelang nachgespuert und ich bin nicht fuendig geworden. Insofern sind sie fuer mich nur „Lautzeichenfolgen“ (Rolf Reinhold) bzw. „Lippengeraeusche“ (Axel Brauns). Traditionell gepraegte Philosophen glauben, damit auf etwas (Substanzielles, Vorhandenes, Seiendes) verweisen zu koennen. Die physistische Sicht, die Dinge zu sehen, ergibt  Kommunikationsstoerungen, die nur durch viele Erläuterungen zu beheben sind. Rolf Reinhold äußert sich auf seinen Seiten dazu in ähnlicher Weise. ‚Sowohl mein Beratungsangebot als auch mein ‚philosophieren‘ sind extrem erläuterungsbedürftig.‘

‚Ich moechte Autoritaeten und bereits beschrittene Wege verlassen. Ich moechte das, was sich fuer mich ergibt, zum Thema machen.‘ So äusserte sich auch schon David Hume.  Meine eigenen Wege sind fuer mich relevant und ich moechte mich mit anderen mit Blick auf die Sache darueber austauschen. Das wünschte sich auch schon George Berkeley. Wie Reinhold, Hume und Berkeley verspreche ich mir davon Anregungen fuer mein ‚philosophieren‘.