Urspruenge unserer Weltbilder


‚Sich-ein-Bild-machen‘ scheint in der Regel, eher im Sinne von sich festlegen, gebraeuchlich zu sein. Etwas mehr Bewegung kommt ins Spiel, wenn jemand sagt, er moechte ’sich selber einen Eindruck von etwas verschaffen‘. Wenn Menschen ‚Eindruecke sammeln‘, scheint das Bild noch nicht in Sicht.

Eindruecke

Eindruecke von etwas oder von jemandem koennen sehr unterschiedlich ausfallen. Manchmal so unterschiedlich, dass man sich fragt: „Wo hatte ich nur meine Augen?“
Menschen duerften immer wieder erleben, wie irrtumsanfaellig eigene Eindruecke sein koennen. Viele irrtuemliche Eindruecke koennen – wie Shakespeare mit dem dramatischen Stoff des Othello illustriert – zu tragischen Folgen fuehren.

unmittelbare und mittelbare Eindruecke

Die Aussage ’sich einen Eindruck verschaffen‘, scheint – wie die rueckbezuegliche grammatische Konstruktion – auf den Urheber zu verweisen. Das trifft uebrigens auch fuer die Aussage ’sich ein Bild machen‘ zu. Zwei Menschen, die gemeinsam etwas erleben, gewinnen – wie sich gespraechsweise ergibt – verschiedene Eindruecke. Wir Menschen kommen immer wieder in Situationen uns einen Eindruck von etwas zu verschaffen oder uns ein Bild von etwas zu machen, bei dem wir nicht unmittelbar dabei gewesen sind.

eigene Kenntnisse

Wie stellen wir eine Art stimmigen Eindruck her, um zu sagen, ‚glaube ich‘ oder ‚glaube ich nicht‘ oder ‚das koennte sein‘ oder ‚das war so‘ ?
Unstrittig duerften Kenntnisse noetig sein. Erzaehlt z.B. jemand, er sei mit nur einer 40l-Tankfuellung von Hamburg bis Muenchen durchgefahren ohne nachzutanken, duerften wir leicht entscheiden koennen, was davon zu halten ist. Schwieriger oder gar aussichtslos wird es, wenn uns jemand etwas berichtet, wovon wir in der Sache wenig oder keine Ahnung haben.

eigene Erlebnisse und daraus gewonnene Erfahrungen

Weitere Kriterien fuer einen stimmigen Eindruck koennten Menschenkenntnis und Lebenserfahrung sein. Kinder nehmen meist alles, was man ihnen erzaehlt fuer ‚bare Muenze‘. Mit zunehmender Erfahrung und erweiterten Kenntnissen aendert sich dies.  Neurowissenschaftler gehen davon aus, dass eigene Erlebnisse und dass was Menschen daraus an Erfahrung gewinnen, unser eigenes Sensorium, konkret unsere Sensoren – veranlassen, Erlebtes, Gehoertes, Gelesenes zu bewerten, indem Impulse von Neuronen gehemmt, ignoriert oder akzeptiert werden. Kein Mensch aber dürfte die gleichen Erlebnisse gehabt haben wie ein anderer.

für jeden sind die Dinge so, wie sie ihm erscheinen

Das jeweilige Kriterium fuer Stimmigkeit duerfte also individuell verschieden sein. Wenn Menschen also sagen, dass sie sich selbst einen Eindruck verschaffen oder Eindruecke sammeln moechten, um sich ein Bild machen zu koennen, dann duerfte das Ergebnis ausschliesslich ihr eigenes Bild sein. Die Irrtumsanfaelligkeit weist ausserdem darauf hin, dass das individuelle Metrum Schwankungen unterliegt.

‚wissen‘ und ‚wahrnehmen‘

‚wahrnehmen’=’sensorieren‘ und ‚philosophieren‘

„physistisch-philosophieren“ geht von dem aus, was ‚wahrnehmbar‘, d.h. ’sensorierbar‘ ist. Gegenstaende dieses ’sensorieren‘ koennen sein: Dinge und Ereignisse, die uns allen zugaenglich sind. Dazu gehoert Alltaegliches – wozu ich auch die Politik zaehle – genauso wie Wissenschaftliches.

Was weiß ich denn?

Jeder einzelne Mensch stoeßt dabei an Grenzen, denn er sensoriert direkt nur das, was ihm selber zugaenglich ist. Daraus resultiert ein eingeschraenkter Kenntnisstand. Seit jeher haben es sich daher Menschen zu eigen gemacht, das was sie nicht mit eigenen Augen sehen konnten, von anderen zu hoeren.

‚wissen‘ – was meinen wir damit?  

 

So entstanden zwei Arten von ‚Wissen‘. Das eine von dem einer sagen konnte, ich weiß wovon ich rede, denn ich habe es gesehen (‚wizan‘ unser Stammwort fuer ‚Wissen‘ heißt: ‚ich habe gesehen‘). Und das andere ‚Wissen‘, das vom ‚Hoeren-Sagen‘ oder vom ‚Gelesen-Haben‘ stammt, ist Wissen aus zweiter, dritter … Hand und selbst beim ‚Gesehen-Haben-Wissen‘ dient es heute der Klarheit hinzuzufuegen: ‚In Wirklichkeit!‘ oder ‚Tatsaechlich!‘ oder ‚Ich war dabei.‘ Manche sagen auch: ‚In echt!‘ Denn seit knapp 100 Jahren gibt es ja Medien, mit denen man etwas sehen kann, was man ohne diese nie sehen koennte.

„Stimmt das?“ – „Ist das wahr?“

Diesen letzten Satz einem antiken Griechen zu sagen, koennte diesen zum Lachen gebracht haben. Auch wenn er durch die Berichte anderer, die anderes gesehen hatten als er, schon daran gewohnt war, dass fuer ihn beim Zuhoeren viele Fragezeichen auftauchten. Um nicht leichtglaeubig zu erscheinen, haben die alten Griechen es sich vermutlich zur Gewohnheit gemacht, nicht nur nach Details zu fragen, um sich einen Reim darauf machen zu koennen, sondern den anderen mit einem Wort daran zu erinnern, dass sie einen wirklichkeitsgetreuen Bericht erwarteten. Dieses Wort hieß: „Alithi?“ Heißt so viel: Wirklich? In Echt? Tatsaechlich? Stimmt das? …

(„Alithi“: Eine barbarische Schreibweise, die eigentlich durch die altgriechische ersetzt werden koennte, wenn dies technisch moeglich waere. Gesprochen wird das ‚th‘ in der Mitte wie das englische ‚th‘.)

Autoritaet braucht ‚Wahrheit‘

Irgendwann kam jemand auf die Idee aus diesem schlichten Wort ein bedeutungsvolles Substantiv zu machen, das ‚alitheia‘ hieß und lateinisch mit ‚veritas‘ und im Deutschen mit „Wahrheit“ wiedergeben wurde. Urspruenglich bezeichneten die alten Griechen damit eine Art Zepter aegyptischer Priester, die im Namen goettlicher Wahrheiten ihr Amt ausuebten.

Aristophanes: „Die ‚Wahrheit‘ liegt in den Wolken.“ 

 

Dieses Wort ‚Wahrheit‘ wiederum erregte die Neigungen von bestimmten Philosophen – Aristophanes soll solche karrikiert haben -, die glaubten, Wissen muesste doch mehr sein, als das, was ich selbst gesehen habe und das was andere mir erzaehlen. Sie ignorierten den urspruenglich konkreten Zusammenhang zwischen Bericht und Ereignis erklaerten deshalb, dass ‚Wahrheit‘ unveraenderlich und ewig sei. Sie dachten dabei eventuell an die Religionen, die fuer ihre ‚Wahrheit‘ nicht nur eintraten, sondern sie auch hatten.

Geruechte sind zaehlebig.  

 

Es haelt sich bis heute das Geruecht: Man koennte „Objektives“, naemlich das was unabhaengig von menschlichem ‚wahrnehmen‘ existiert, irgendwann mal erreichen.