Wer sich im Besitz der Wahrheit glaubt, …

moechte ‚recht haben‘, moechte ‚beweisen‘, dass nur seine Sichtweise die ‚richtige‘ ist. Gegen andere Sichtweisen muss er sich verwahren. Skeptische Philosophen koennen Irrtuemer einraeumen. Sie gingen und gehen davon aus, dass ‚richtig‘ und ‚wahr‘ Kriterien sind, ueber die niemand verfuegt – auch sie nicht. Fuer Skeptiker ist ‚recht haben wollen‘ und ‚beweisen wollen‘ eine Art Sackgasse. Fuer sie folgt aus ihrer skeptischen Praxis des Hinsehens, ’sich eines abschlieszenden Urteils zu enthalten‘. Jedes Hinsehen ergibt in aller Regel immer wieder einen neuen, bzw. etwas anderen Aspekt, auch wenn der neue sich nur minimal von dem Vorhergehenden unterscheidet. Diese durch Hinsehen entstehende Vermehrung von Unterschieden macht die Differenziertheit und die Qualitaet von Sichtweisen aus, die jeder autonom erheben kann. Dies zeigen z. B. Aeuszerungen von Menschen ueber die unterschiedlichsten Lebensbereiche, in denen sie professionell taetig sind bzw. waren.

Der Rat ‚immer wieder hinzusehen‘ fuehrte bereits in der Antike zu Missverstaendnissen. Viele Zeitgenossen des Pyrrhon – allen voran die Stoiker – stieszen sich an der Idee der Enthaltung und unterstellten dem, der dieser Idee folgte, dass er lebensuntuechtig sein muesse. Sie gingen zurecht davon aus, dass jeder Mensch handeln muss. Sich eines Urteils zu enthalten, schien ihnen unmoeglich. Dies entspricht durchaus dem, was skeptische Philosophen sowie Neurowissenschaftler inzwischen annehmen: „Unsere physiologische Natur bestimmt nach Gesetzmaeszigkeiten, die wir nicht kontrollieren koennen, dass wir gar nicht anders koennen, als Urteile zu faellen, so wie wir automatisch atmen und wahrnehmen“ (Hume Treat. I,4,1,7.) Daraus zu folgern, dass die Notwendigkeit des momentanen ‚handeln‘ und ‚urteilen‘ dauerhafte Urteile notwendig mache, ist das seit Jahrhunderten gebraeuchliche explizite und implizite Missverstaendnis, das Skepsis abwehrte, sie ungeeignet fuers Philosophieren hielt und Skeptiker der Laecherlichkeit preisgab. Ueber den in vielen Feldzuegen erprobten Pyrrhon wurde u. a. die Laecherlichkeit erzaehlt, dass er nur in Begleitung einer Magd sein Haus verliesz, um wieder nach Hause zu finden. Menschenwissenschaftler unter den Philosophen – wie Hume – bemuehten sich ohne groszen Widerhall darum, dieses Missverstaendnis auszuraeumen: „Niemand duerfte je einen so laecherlichen Menschen getroffen oder mit einem verkehrt haben, der handelnd oder forschend keiner Vorstellung bzw. keiner Annahme ueber das gefolgt waere, was er zu erreichen hoffte.“ (Hume, Enquiry, XII, 2.)

Handlungsbeduerfnisse, die aus menschlichen Grundbeduerfnissen entstehen, sind in der metaphysisch orientierten Philosophie nicht gruendlich mitbedacht worden. Kant z. B. hat Kritik anderer an der praktischen Mangelhaftigkeit seiner Ethik stets abgewehrt und darin keinen Anlass gesehen, sein apriorisches Konzept zu ueberpruefen, bzw. es zu revidieren. (Vgl. die Meinungsverschiedenheiten zwischen Kant und Ulrich. Kant: Metaphysische Anfangsgruende der Naturwissenschaften. In: Akademieausgabe von Kants gesammelten Werken, Bd. IV, S. 474/6. Christian Jakob Kraus: Rezension zu Ulrichs ‚Eleutheriologie‘, In: Akademieausgabe von Kants gesammelten Werken, Bd. VIII, S. 451ff.) Diese strukturell vorhandene Abwehr in der Philosophie gegen die Beschaeftigung mit Konkretem hat ‚philosophieren‘ in Verruf gebracht. Die Philosophie, so wie sie sich noch heute mehrheitlich als ‚Analytische‘ praesentiert, stoeszt einen eigenstaendig philosophierenden Jedermannphilosophen vor den Kopf. Ich frage mich dabei nach dem Interesse dieser Philosophen und dem Nutzen dieses Philosophierens.

Jahrhundertlange Uebungen in Wahrheitsdiskussionen, die man um der Wahrheit willen fuehrte, haben ferner dazu gefuehrt, dass skeptisches Philosophieren in Skeptizismus umgemuenzt wurde. Die Bedeutung „zweifeln“ beherrscht bis heute die entstellende neuzeitliche Auffassung der Skepsis. ‚Zweifeln‘ war keine Mitbedeutung antiker Skepsis gewesen. Zweifel an Dogmen sind und waren stets Merkmale religiöser Auffassungen. Sie ergaben sich ausgepraegt als Folge von ‚forschen‘ im Mittelalter und in der Neuzeit. Die Art von Enthaltung wie sie antiken Menschen nahe war, kann sich heute noch in der Redewendung „Da bin ich skeptisch!“ aeuszern. Menschen – so Hume’s Sicht – brauchen nicht zu fuerchten, aus ihrer Skepsis Nachteile zu ziehen. Sie haben physiologisch wirksame Hemmungen gegen den Skeptizismus, denn sie orientieren sich an ihren Lebensbeduerfnissen. „Wir sollten in allen Wechselfaellen des Lebens stets skeptisch bleiben. Glauben wir z. B. dass Feuer waermt und Wasser kuehlt, so liegt das lediglich daran, dass jede andere Sichtweise viel zu schmerzhafte Nachteile hat.“ (Hume, Treatise, 1,4,7,11)

Die Wahrheit kannte keiner, noch kennt sie jemand, …

… noch wird sie jemals jemand kennen. (Xenophanes aus Kolophon, ca. 570-480 v.u.Z.)   

Die Grenzen des Individuellen zu akzeptieren, scheint traditionell gepraegten Philosophen nicht zu gelingen. In irgendeiner Art und Weise befinden sie sich immer noch auf dem Weg, Objektives bzw. Wahres  zu entdecken. Dies gilt fuer renommierte Philosophen der Gegenwart genauso, wie fuer viele unbekannte Philosophierende, die sich von deren (Sehn-) Sucht haben anstecken lassen. Taetigkeiten wie ‚verifizieren‘ bzw. ‚falsifizieren‘, Auffassungen wie, es gaebe sowohl eine ‚oeffentliche‘ als auch eine ‚private Sprache‘ zeugen davon.

Ich gehe davon aus, dass dies die Folgen von Entscheidungen sind, die gefaellt wurden, nachdem die christliche Wahrheit vor Jahrhunderten gesellschaftlich verankert worden war. Buecherverbrennungen sowie die Schliessung antiker philosophischer Institutionen markieren diese historisch. Die christliche Wertschaetzung fuer Pythagoras, Platon, Plotin … etc. muendete in die Metaphysik als Charakteristikum der Philosophie. Augustin Thagastes Schrift ‚Ueber die wahre Religion‘ thematisiert diese Entscheidung und damit den hochspekulativen Charakter der abendlaendischen Philosophie. Er verfolgte mit anderen Zeitgenossen die platonisch-plotinische Idee, gemaess der es moeglich sei, Individuelles zu verlassen und jenseits individueller Grenzen Wahrheit zu finden.

Der zetetische oder skeptische, d.h. forschende Charakter vieler griechischer Philosophien der Antike wurde dagegen ignoriert, bzw. sogar so uminterpretiert, als sei Wahrheitssuche schon vor der christlichen Zeit von zentralem philosophischen Interesse gewesen. Aus meiner Sicht handelt es sich hier um einen folgenschweren Irrtum, der nur vor dem Hintergrund christlich-religioeser Beduerfnisse nachvollziehbar ist. Dieser Irrtum machte weitere Entscheidungen unumgaenglich, die schliesslich unter Philosophen u. a. zu einer unuebersichtlichen Begriffsvielfalt fuehrten, die man argumentativ zu beherrschen suchte. Auch heute noch sind Vertreter der Analytischen Philosophie damit beschaeftigt, verbindliche Kriterien fuer ueberzeugende Argumente zu finden. Es wird nicht bemerkt, dass die Praxis ‚recht haben zu wollen‘ eine Folge der oben erwaehnten Entscheidung fuer die Gleichsetzung von Metaphysik mit Philosophie ist.

Ich kann keinen konkreten Anhaltspunkt dafuer finden, dass ich denkend und handelnd meine individuelle Welt verlassen kann. Rolf Reinhold aeussert sich dazu sinngemaess so: „Ich bin meine Welt und sie veraendert sich mit jeder neuen Situation. Es ist mir nur moeglich, Dinge meiner Welt zu betrachten und ueber sie zu reden bzw. zu schreiben. Dinge, das ist das, was ich wahrnehme, besser gesagt ’sensoriere‘ . Ich sehe bzw. fuehle sie und ich gehe davon aus, dass u. a. Sensoren, Gehirn, Organe … etc. an ihrer Produktion – wie auch immer – mitwirken. Mehr als nur minimale Schlussfolgerungen ziehe ich nicht. Ich veraendere sie, wenn sie dysfunktional wirken. Ich moechte mit anderen zusammen handeln, ‚recht haben‘ interessiert mich nicht.“

 Dass auch ich mich derart konsequent beschraenkt sehe, unterscheidet mein ‚denken‘  bzw. ‚philosophieren‘ deutlich von dem anderer. Traditionell gewachsene Kategorien passen nicht mehr. Sie taugen nicht als Instrumente, um ‚physistisch philosophieren‘ so aufzufassen, dass damit ‚anders philosophiert‘ werden kann. . Vor allem akademisch gepraegte Philosophen werden dadurch irritiert. Sie gehen davon aus, dass ’nachdenken‘ bzw.  ‚philosophieren‘ sich  innerhalb von bestimmten historisch gewachsenen Begriffen ( im Geist, im Bewusstsein, subjektiv, objektiv … etc.) vollziehen muss. Ich kann ohne diese ‚Bezeichnungen‘ auskommen, weil ich nichts mehr kenne, was sie ‚bezeichnen‘ koennten. Ich habe ihnen jahrzehntelang nachgespuert und ich bin nicht fuendig geworden. Insofern sind sie fuer mich nur „Lautzeichenfolgen“ (Rolf Reinhold) bzw. „Lippengeraeusche“ (Axel Brauns). Traditionell gepraegte Philosophen glauben, damit auf etwas (Substanzielles, Vorhandenes, Seiendes) verweisen zu koennen. Die physistische Sicht, die Dinge zu sehen, ergibt  Kommunikationsstoerungen, die nur durch viele Erläuterungen zu beheben sind. Rolf Reinhold äußert sich auf seinen Seiten dazu in ähnlicher Weise. ‚Sowohl mein Beratungsangebot als auch mein ‚philosophieren‘ sind extrem erläuterungsbedürftig.‘

‚Ich moechte Autoritaeten und bereits beschrittene Wege verlassen. Ich moechte das, was sich fuer mich ergibt, zum Thema machen.‘ So äusserte sich auch schon David Hume.  Meine eigenen Wege sind fuer mich relevant und ich moechte mich mit anderen mit Blick auf die Sache darueber austauschen. Das wünschte sich auch schon George Berkeley. Wie Reinhold, Hume und Berkeley verspreche ich mir davon Anregungen fuer mein ‚philosophieren‘.

 

 

         

Ueber den Mythos des Geistigen



Meine Ablehnung von Erkenntnistheorien bezieht sich u.a. auf deren Setzungen wie z.B. ‚Geist‘, ‚Vernunft‘, ‚Verstand‘, ‚wahr‘, ‚falsch‘, Wissen, … etc., die aber in erkenntnistheoretischen Loesungen nicht als Setzungen ausgewiesen wurden, sondern im Gebrauch der Worte den Charakter des Faktischen annahmen und so gewohnheitsmaeßig die Selbstverstaendlichkeit des Geistigen und aller damit verbundenen geistigen Faehigkeiten kreiert haben dürften. Jeder der diese Ueberlegung nicht teilt, wird sie argumentativ mehr oder weniger geschickt und eventuell mit dem Hinweis auf wissenschaftliche Autoritaeten verwerfen.

Ohne auf denkbare Argumente einzugehen, ist weiter von Bedeutung, dass die im Diskurs zwischen verschiedenen Erkenntnistheorien zum Faktum erhobene Behauptung ‚der Geist ist etwas‘ verbunden wurde mit der abendlaendischen Behauptung, der menschliche Geist sei besser als der menschliche Koerper. Eine Behauptung die u.a. bei Augustin Thagaste zu finden ist, der seinem „Prinzip der Innerlichkeit“ folgend meinte: „Melius quod interius.“ (Bekenntnisse 10.6.9 )
Diese Idee, dass ‚innere‘, ‚geistige‘ Erkenntnis hoeherwertiger sei als Schlussfolgerungen aus ’sensorieren‘, zieht sich als unbemerkte Behauptung selbstverstaendlich durch jede Erkenntnistheorie. Sie foerdert die Auffassung, dass grundsaetzlich jede Theorie der Praxis überlegen sei. Es koennte sein, dass neuzeitliche Erkenntnistheoriker als Soehne und Toechter der ihnen auferlegten metaphysischen Schulung im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams und gegen die aufklaererische Forderung ’sapere aude‘ die Pflicht erfuellen, die von den Altvorderen aufgestellten Behauptungen nachzuweisen, um sie weiterhin zu benutzen und um darueber hinauszugehen: Erkenntnistheoretiker naemlich behaupten, dass geistige d.h. apriorische Erkenntnisse jeweils Grundlage unseres ‚handeln‘ seien. Eine Behauptung, die noch heute m. E. unnoetige Graeben zwischen naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Sichtweisen aufreißt. Die als Loesung angesehene Behauptung duerfte in Zeiten autoritaetsorientierten Philosophierens vermutlich als funktional betrachtet werden koennen, aber in Zeiten des Beduerfnisses nach zunehmender Eigenstaendigkeit und nach Authentizitaet als verzichtbare Beschraenkung erlebt werden.

Hume hatte dazu bemerkt, dass der Verzicht auf die unreflektierte Uebernahme von Behauptungen frueherer Autoritaeten, alle deren Behauptungen fragwuerdig, wenn nicht hinfaellig macht. Es bleibt ohne Autoritaet nur noch die jeweils eigene Sicht auf die Dinge. Statt von Behauptungen anderer auszugehen, kann ein Mensch sich dann bloß auf das beziehen, was ein Mensch jeweils kennen kann. Die Philosophiegeschichte dokumentiert, dass es in der Philosophie bisher selten vorgekommen ist, dass eigenstaendig philosophiert wurde, wie es die antiken Philosophen gefordert hatten. Im Gegenteil: Es hat sich im Bemuehen um Gewissheit im philosophischen Denken der westlichen Welt etwas verfestigt, das als Denkverbot funktioniert: „Du sollst den Geist, die Vernunft, … etc. nicht in Frage stellen!“ Macht jemand sich daran zu schaffen, steht er in Gefahr philosophisch ignoriert zu werden. Dekonstruktion ruft Empoerung hervor. Das duerfte sich nachteilig fuer eine philosophische Weiterentwicklung auswirken koennen.

Die hier skizzierten, vermuteten Zusammenhaenge verdienen aus meiner Sicht nicht den Namen ‚Dekonstruktion‘: dazu muessten sehr viel weiter fuehrende Ueberlegungen angestellt werden. Sie taugen m. E. aber dazu, um begruendete Fragen zu stellen und ein Gefuehl des Unbehagens hervorzurufen.

sensorieren und sinnliche Wahrnehmungen



Sinnliche Wahrnehmungen hatte ich in meinen metaphysischen Zeiten: Sie waren das, dem ich wohl oder uebel nicht entkommen konnte. Sie stoerten aber mein zielstrebiges Tun und Denken. Sie zeigten sich widerspenstig und fuegten sich mit den Jahren immer seltener, in das, was ich dachte und erreichen wollte. Oft erschlugen sie mich einfach und ich wollte nur noch Ruhe vor ihnen haben.

Inzwischen habe ich festgestellt, dass es fuer mich einen Unterschied macht, ob ich von sinnlichen Wahrnehmungen spreche oder von ’sensorieren‘. Mit sinnlichen Wahrnehmungen verbinde ich ‚Erkenntnistheorie‘ – mit ’sensorieren‘ die Vorstellung von meiner ‚Einheit Koerper‘ . Erkenntnistheorie dient der Rechtfertigung von Wissen ueber Handeln – ’sensorieren‘ meinem ‚handeln‘. ‚physistisch philosophieren‘ dient so mir und meiner Autonomie , die mir – obwohl in Aussicht gestellt – Erkenntnistheoretie, bzw. Metaphysik nie ermoeglichten. Das duerfte daran liegen, dass der Metaphysik jede konkrete Soliditaet fehlt: sie metaphorisiert Konkretes ins scheinbar eigentliche „Sein“ des ‚Geistes‘, das seit Jahrhunderten hoehlenplatonisch als die eigentliche Wirklichkeit erreichbar in Aussicht gestellt wird. Im Moment bin ich versucht meinen Emotionen zu folgen. Ich war sehr lange damit beschaeftigt herauszufinden, was andere meinen, wenn sie die Metaphysik empfehlen. Doch ich lasse meine Emotionen lieber beiseite. Was ich hier schreibe, duerfte schon irritierend genug sein.

Von der Metaphysik bzw. der Erkenntnistheorie versprach ich mir Impulse fuer mein ‚handeln‘. Die Impulse blieben aus,  aber es stellten sich Impulse ein, die anderen Einsichten zu folgen schienen. Metaphysiker haben – um auch solche Phaenomene erklaeren zu koennen – vor zwei Jahrhunderten eine eigene Wissenschaft ins Leben gerufen, die sie Psychologie nannten. In schlimmsten Zeiten beschrieb ich mich als fremd gesteuert. Diese Redeweise war eine Folge entsprechender psychologischer Theorien. In meinen besten Zeiten hatte ich Hoffnung, dass ich effizient wuerde handeln koennen, wenn ich es nur richtig machte. Das ‚richtig-machen-muessen‘ passte zu meiner Berufstaetigkeit: Lehrerinnen sind qua Berufsrolle darauf verpflichtet, alles, aber auch wirklich alles richtig zu machen. Referendare duerften dies noch kennen. Spaeter verdraengt man das, sonst bringt es einen um. Aber es hinterlaesst an der Oberflaeche eine Empfindsamkeit, die von anderen als Kritikunfaehigkeit bezeichnet wird und sich durch Abwehr kundtut,  die ’sensorieren‘ veraendert und beeintraechtigt.

Tatsaechlich wirksam zeigte sich aber das Lucy-Syndrom: Eine Erfindung von Charles Schulz fuer den Kreis seiner „Peanuts“ . Sie sagt anderen stets ganz unverbluemt, was sie zu tun haben und weist sie auf ihre Charakterfehler hin. Sie hat immer recht und sie ist der Typus des ‚ungeselligen Menschen‘, den Kant bei seiner Kritik der reinen Vernunft im Auge hatte: Denn sie geht davon aus, dass sie andere eigentlich nicht braucht. Wozu auch? Vernunft hat sie selber und die ausschlieszlich braucht sie nach Auskunft vieler, vieler Philosophengenerationen, um richtig zu ‚handeln‘. Insofern ist Lucy eine aufgeklaerte Frau, die daran arbeitet, alles und jeden in den Griff zu kriegen.

Ich finde, Lucy macht deutlich, wohin Aufklaerung durch Vernunft fuehrt.

Hinsehen ist nicht gleich ‚hinsehen‘



Wenn physistisch gepraegte Philosophen darauf hinweisen, dass ‚hinsehen‘ das A und O ihres ‚philosophieren‘ sei, dann wird ihnen von Metaphysikern (= Philosophen, die Bewusstsein fuer eine Wirklichkeit halten) entgegengehalten: „Das ist nichts Neues, das tun wir alle!“

Mir faellt dazu der blinde Fleck im Auge jedes Menschen ein, den meines Wissens bisher noch nie jemand gesehen hat, auszer er sieht so hin, wie Fachleute dies tun. Mir faellt weiter die altbekannte Frage ein: Wie kommt es, dass Du das Staubkorn im Auge eines anderen siehst, nicht aber den Splitter in Deinem eigenen?
Oder auch die volkstuemliche Feststellung, dass jemand ein Brett vor dem Kopf habe, weil er etwas nicht begreift. Aus physistisch gepraegter Sicht duerfte ’sensorieren‘ – das neurobiologische Funktionsprinzip fuer ‚hinsehen‘ – mit all diesen Phaenomenen zu tun haben.

Welche Rolle spielt ’sensorieren‘?

Ihre Auspraegung duerfte vermutlich von der genetischen Ausstattung und von der Funktionalitaet der Sensoren abhaengen. Ueber die genetische Ausstattung moechte ich mich an dieser Stelle nicht weiter auslassen, weil Menschen darauf zur Zeit noch keinen Einfluss haben. Doch Einfluss haben Menschen auf die Funktionalitaet der Sensoren. Diese scheint von ‚entscheiden‘ abhaengig zu sein. ‚entscheiden‘ haengt aus physistisch gepraegter Sicht mit dem zusammen, was Benjamin Libet und nach ihm Gerhard Roth und andere als „Bereitschaftspotential“ (vgl. Benjamin Libet: Mind Time. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2007, S. 160. Zusammenfassung) gemessen haben, kurz bevor der bewusste Impuls fuer eine bestimmte Handlung erfolgte. Der Auffassung Gerhard Roths, dies sei das Ende der menschlichen Freiheit, moechte ich mich nicht anschlieszen (vgl. Koerpervernunft)

Ich schlussfolgere aus den Libet-Experimenten und anderen Forschungsergebnissen zur Funktionsweise von Sensoren (Neuronen einschlieszlich) – wie sie u.a. das Frankfurter Max-Planck-Institut und das Ulmer Transferzentrum fuer Neurowissenschaften und Lernen  (ZNL) veroeffentlichen -, dass  „Bereitschaftspotential“ etwas sein duerfte, was ein Sensor bzw. ein Netzwerk von Sensoren erzeugt, nachdem etwas sensoriert wurde. Ohne dieses „Bereitschaftspotential“ scheint keine Wirkung feststellbar. Es gibt das Phaenomen ‚eingeschlafener Gliedmaszen‘, mit dem ein bestimmtes, unangenehmes Empfinden beschrieben wird und Sensorierbares nur sehr diffus bemerkt wird. Auch lokale Betaeubungen koennen Vergleichbares erleben lassen. Gelaehmte Koerperteile koennen nicht bewegt werden. Wachkomapatienten sind fast vollstaendig bewegungsunfaehig. Diese Phaenomene haben u.a. mit dem Verlust der Sensitivitaet von Sensoren zu tun, die eine Voraussetzung fuer die Moeglichkeit sein duerfte, „Bereitschaftspotential“ aufzubauen und periphere bzw. vegetative Wirkungen zu produzieren.

Ich denke, man kann verallgemeinernd sagen, dass Menschen ’sensorieren‘ fuer ihre koerperliche Gesundheit und ‚handeln‘ brauchen.

Derartige humanbiologische Bezuege werden vom Mainstream der Philosophie weder hergestellt noch im Hinblick auf ‚handeln‘ diskutiert. Mir kommt es oft so vor, als glaubte man, mit der Philosophie des Geistes (eine andere Bezeichnung fuer Metaphysik), bzw. der Theoretischen Philosophie autark zu sein und sich unbekuemmert auf traditionellen Schauplaetzen tummeln zu koennen. Behauptungen wie die Humanbiologie und die Metaphysik seien auf ganz unterschiedlichen Ebenen taetig, bzw. die Metaphysik befasse sich mit Gegenstaenden, die der Humanbiologie eben nicht zugaenglich seien, duerften vor allem dem Selbsterhalt dienen. Dabei wird m.E. ausgeklammert, dass seit Jahrhunderten eine einvernehmliche und nachvollziehbare Antwort auf Fragen nach den metaphysischen Gegenstaenden aussteht.

Wie kommt es, dass Metaphysiker an ihren Sichtweisen festhalten?

Metaphysik, bzw. deren Wissen, auch Erkenntnis genannt wird, bezeichnet eine traditionelle philosophische Weltsicht, die durch das begruendet wird, was wiederum andere rueckwaerts gerichtete Philosophen andachten und umdachten. Dies duerfte – weil Universitaeten in der Regel Philosophie im Kontext der Rueckwaertsgewandtheit lehren, anstatt Studenten zum ‚philosophieren‘ lernen anzuregen – zu einem beruflichen Profil und Blick fuehren, das ‚hinsehen‘ auf Gegenwaertiges zumindest beeintraechtigen duerfte. Rorty’s Ruf, Implikationen philosophischer Probleme zu erforschen, scheint ungehoert geblieben zu sein. Selbst wenn andere Woerter verwendet und der natuerliche Kosmos durch die Welt der Sprache ersetzt werden, bleibt der Anspruch bestehen, mit Abstraktionen erhellende Beitraege zu einem Diskurs der Wissenschaften und Menschen liefern zu koennen. Das Prinzip, nicht zu sehen, was fuer viele andere offensichtbar ist, scheint die Metaphysik zu regieren. David Hume hat ein anderes wichtiges Prinzip menschlicher Natur entdeckt, dass sich mir an dieser Stelle nahe legt: Die Gewohnheit fuehrt Menschen durch ihr Leben. Die jahrhundertealte Gewohnheit Philosophie als Metaphysik aufzufassen, duerfte den Mainstream der Philosophie mehr beeinflussen, als ihren Vertretern lieb und vor allem bekannt sein duerfte. Möglicherweise könnte sie diese Gewohnheit veranlasst haben,  zum Philosophen der „Gewohnheit“ auf Distanz zu gehen.

Selbst im Rahmen der Neurophilosophie – wie Thomas Metzinger und andere sie auffassen – wird ganz selbstverstaendlich davon ausgegangen, dass hinter bestimmten Phaenomenen Geist stehe. Das Phaenomen „Bewusstsein“ ist ’nicht biologisch evolviert‘ und wird daher metaphyischen Denkgewohnheiten folgend mit Substanz belegt, die mit „Wirklichkeit und Innerlichkeit“ charakterisiert wird. In ’nachgehegelter‘ Weise wird ueber die „Wirklichkeit Bewusstsein“ folgendes metaphysiziert, bzw. mythologisiert: „Der Vorgang des Lebens ist sich seiner selbst bewusst geworden.“ Thomas Metzinger &Thorsten Schmidt: Der Ego-Tunnel. Berliner Taschenbuchverlag 2010, S.31.

Diese implizite Voraussetzung muendet dann im Anschluss an Diskussionen humanbiologischer Experimente in die Feststellung, dass es „verblueffend“ sei zu sehen, „… wie klassische philosophische Gedanken einen Beitrag zu einem tieferen Verstaendnis dessen leisten, … wie man sich die Beziehung zwischen Geist und Gehirn denken kann.“ (ebd. S. 168)

physistisch gepraegtes ‚hinsehen‘ verzichtet auf traditionelle philosophische Sichten

Im Unterschied zu diesem Bemaechtigen des Koerperlichen durch das als ‚geistig‘ markierte Phaenomen „Bewusstsein“ – was m.E. der seit Descartes praktizierten UEberlegenheit der res cogitans (Denken) ueber die res extensa (Koerper), d.h. einer die ganze neuzeitliche Philosophie durchziehende dichotomischen Sichtweise entspricht, beschraenke ich mich auf Sensorierbares. Bezueglich der Phaenomene, die Metzinger erwaehnt, nehme ich keine „Wirklichkeit“ an, weil ich sie nicht beschreiben kann. Beschreibbar ist lediglich Konkretes. Dieser agnostische Aspekt von physistisch-philosophieren scheint mir den Reichtum von ‚hinsehen‘ erst zu ermoeglichen, waehrend die Behauptung einer dahinter liegenden Wirklichkeit zur alt bekannten philosphischen Besserwisserei fuehrt, die wie Kant und seine Nachfolger verdeutlichen koennen, dazu die passenden Systeme liefert.

Konkretes ‚handeln‘ duerfte seine Impulse aus der menschlichen Natur erfahren. Diese koennte gemeinsam auf Offensichtbares hin erforscht werden, wenn Philosophen sich von den Produkten der Altvorderen verabschiedeten und so die rosarote Brille abnaehmen, die ‚hinsehen‘ in den Fokus einer „geistigen Innerlichkeit“ ruecken, die die abendlaendische Philosophie sei Augustin Thagaste praegt.

‚philosophieren‘ heiszt, eigene Schlussfolgerungen aus ‚hinsehen‘ mit denen anderer allgemein nutzbar zu machen

Ein Philosoph, der ‚hinsehen‘ praktiziert haben duerfte und dafuer aus dem philosophischen Mainstream ausgeschlossen wurde, schrieb mit 23 Jahren: „Ich habe herausgefunden, dass die Philosophie ueber menschliches Handeln seit der Antike mit derselben Unzulaenglichkeit arbeitet wie die Naturwissenschaft. Beide gehen m.E. ausschlieszlich von Hypothesen, d.h. ueberwiegend von Erfindungen aus, anstatt sich auf Sensorierbares und Erforschbares zu beziehen. Jeder Philosoph bemuehte seine Fantasie und errichtet Chimaeren inner- und zwischenmenschlicher Idealitaeten und beglueckender Lebenskonzepte, ohne die menschliche Natur mit einzubeziehen, von der – aus meiner Sicht – jede philosophische Schlussfolgerung ueber gesellschaftsweit praktizierte Mitmenschlichkeit ausgehen muesste. Deshalb moechte ich vor allem Sensorierbares und Erforschbares studieren und dieses als Quelle von Kenntnissen fuer humane Wissenschaften verwenden. Ich halte es inzwischen fuer eine Tatsache, dass die meisten verstorbenen Philosophen Opfer ihrer eigenen spekulativen Faehigkeiten geworden sind. Auszerdem bin ich sicher, dass man nicht viel mehr tun muss, um zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen, als alle die alten Spekulationen zugunsten der eigenen Schlussfolgerungen oder der anderer wegzuwerfen. Davon duerfte es letztlich abhaengen, ob meine Ueberlegungen fuer zutreffend gehalten werden oder nicht.“ David Humes Brief an einen Arzt. Verfasst 1734, veroeffentlicht von John Hill Burton: Life and Correspondance of David Hume. Edinburgh 1846. Band I. S. 30 – 39.

Oeffentliche Sprache und Individuum



Dieser Artikel ist beim Antworten auf einen anderen Artikel entstanden
Robinsons Sprachen: Zwischen öffentlichen und privaten Worten

Oeffentliche Sprache

„die Verbindung der Oeffentlichkeit mit der Sprache ist einfacher zu erklaeren als gedacht. … die Teilnahme an einer Sprache ist nicht einfach so moeglich. „

Wie wir Menschen bereits als Saeuglinge – vermutlich schon intrauterin – Sprache lernen, bis wir dann nach einigen Jahren kommunizieren koennen, kann niemand sagen. Bisher hat keine Wissenschaft einen Zugriff auf diesen Erwerb, ausser vom Sprachverhalten ausgehend im Zusammenhang mit neurowissenschaftlicher Grundlagenforschung Annahmen zu formulieren. Danach sorgt unsere gesamte neuro-sensorische Organisation dafuer -so aehnlich wie fuer anderes – mit ihrem bewaehrten Prinzip: sensorieren – verarbeiten, d.h. neuronale Netzwerke bilden – reagieren.

Eine oeffentliche Sprache lernen‘ hiesse demnach eine individuelle Variante der oeffentlichen Sprache lernen, die mit derjenigen anderer Individuen kompatibel sein muss, um Kommunikation zu ermoeglichen. M.E. duerfte man daraus schlussfolgern koennen, dass ‚oeffentliche Sprache‘ weder homogen noch fix sein duerfte, was sich auch darin niederschlaegt, dass wir behaupten jemand spricht gutes, bzw. richtiges Deutsch oder schlechtes Deutsch. Fuer Robinsons Sprachentwicklung auf seiner menschenleeren Insel koennte dies heissen, dass seine Sprache im Lauf der Zeit mehr oder weniger grosse Abweichungen von der oeffentlichen Sprache in England aufweisen duerfte.

Die oeffentliche Sprache duerfte also staendigen Veraenderungen unterworfen sein. Fachsprache, Jugendsprache, literarische Sprache, Journalistendeutsch usw. bezeichnen weitere ‚insel’aehnliche Sprachraeume. Immigranten vermischen ihre Sprachen mit der oeffentlichen deutschen Sprache. Jeder Benutzer der oeffentlichen Sprache ist m.E. gleichzeitig Nutzer dessen, was er im Zuge der Kommunikation vorfindet und regt durch seinen Sprachgebrauch semantische und grammatikalische Veraenderungen an.

Privatsprache

„Ueber die Moeglichkeit einer privaten Sprache, die ein Individuum nur mit sich selbst und niemand anderen ausmacht, diskutieren Philosophen seit Dekaden.“

Ich wuerde sagen, derartiges gibt es. Vielleicht nicht so ‚absolut‘ wie Metaphysiker sich das denken, eher partiell und situativ. Immer da wo jemand mit sich selber alleine ist, koennte es diese private Sprache geben. Aus diesen einsamen Raeumen duerften auch Anregungen fuer die ‚oeffentliche Sprache‘ entstehen, wie Literaten, Dichter und Philosophen immer wieder demonstrieren. Diese private Sprache duerfte vermutlich nie ohne Rueckbezug zur oeffentlichen gestaltet sein – was sich aus dem Spracherwerb ergibt, aber sie koennte vor allem individuelle semantische Auspraegungen verstaerken und diente der Klaerung dessen, was in einem Menschen geschieht. Auch Gruppen erzeugen so etwas wie eine ‚private Sprache‘.

„Worte um ueber sein Innenleben Auskunft zu geben“

Die semantische Vielfalt von einzelnen Woertern, Satzkonstruktionen, Texten, Gedichten scheint mir die Attraktivitaet der philosophischen Sprachforschung zu begruenden. Im Hinblick auf das oben beschriebene ‚Sprache lernen‘, das immer im Kontext von eigenen Erlebnissen entsteht, duerfte man davon ausgehen koennen, dass kein Wort fuer zwei Menschen die gleiche Bedeutung hat. Diesen Unterschied halte ich fuer unhintergehbar. Er duerfte im Zusammenhang mit Auskuenften ueber das eigene Innenleben noch deutlicher zu Tage treten.

Kommunikationsstoerungen entstehen m.E. vor allem deshalb, weil Menschen spontan dazu neigen, eigene Bedeutungen den Worten des Gespraechspartners zu unterstellen, bzw. sie absolut zu setzen. Auf diese Weise wird Sprache alltaeglich missbraucht.

allgemeingueltige Sprache

Ich gehe davon aus, dass die Bezeichnung ‚oeffentliche Sprache‘ genauso unzureichend wie andere sprachliche Bezeichnungen etwas fassen koennen, was im Sinne von ‚allgemeingueltig‘ sein koennte. Mir scheint ‚allgemeingueltiges‘ ein ausgetraeumter Traum der Philosophie, eine schmerzliche Einsicht. In frueheren Zeiten konnte man sich innerhalb hierarchischer Verfassungen die Marginalisierung der individuellen Abweichungen von der gerade dominanten Theorie leisten. Dies geht heute nicht mehr. Menschen moechten ueber sich selber bestimmen und gesellschaftlich so mitwirken, wie es ihnen entspricht und nicht irgendeiner Theorie.

Ich meine, dass Philosophen Moeglichkeiten finden koennten, diese autonomen Bestrebungen zu unterstuetzen und Kriterien fuer deren Umsetzung gemeinsam mit anderen zu entwickeln. Wir koennten moeglicherweise gemeinsam mit Hilfe der Kommunikation Einigen untereinander ermoeglichen, wenn wir miteinander gemeinsam handeln moechten. Aber im Moment habe ich den Eindruck wird unser gesellschafts-politisches Leben nicht vom dem Beduerfnis nach einem gemeinsamen Handeln bestimmt. Dies gaelte es anzuregen. Politiker denken und handeln von oben nach unten und die demokratisch Beherrschten von unten nach oben. Diese hierarchischen bzw. autoritativen Verhaltensmuster, die institutionalisiert sind, d.h. nur sehr, sehr schwierig zu veraendern sein duerften, koennten m.E. durch eine Optimierung philosophischen Denkens und Handelns, das von Sach- und Personenverhalten ausgeht, veraendert werden.

Die Schmerzen – die immer entstehen, wenn Neues geboren wird -, duerften durch die Aussicht auf ein menschlicheres Miteinander ertraeglich werden koennen. Ermutigend koennte auch noch folgender Blick sein: Wenn es tatsaechlich moeglich waere, menschliches Handeln und Denken in jeder Hinsicht zufrieden stellend und damit ja fuer alle Zeiten feststehend theoretisch zu begruenden, haetten ausgerechnet diejenigen die diesem Ziel philosophierend lebenslang hinterher jagen, am wenigstens Freude daran. Denn aus meiner Sicht sind Philosophen alle Freidenker. Harald Lesch hat vor einiger Zeit dazu gesagt: „Und was machen wir, wenn wir DIE WAHRHEIT gefunden haben?“


Ergaenzend dazu fuer Philosophieversessene
Davidsons Kritik am „3. Dogma des Empirismus“

Hinsehen

Hinsehen ist der Weisheit bester Schluss, wenn man herausfinden möchte, wie etwas geht. Weil viele Philosophen unter der Herrschaft einer großen theologischen Zeit glaubten, sich bestens mit dem Geist und der Seele auskennen zu müssen, haben sie auf das hingesehen, was unsichtbar ist. Sie nannten das ‚wahre Philosophie‘ oder ‚Metaphysik‘.

Man kann metaphysische Erkenntnisse erwägen bzw. produzieren und sie dem Hinsehen vorziehen, und dann erst mal glauben, dass etwas besser funktionieren könnte, weil man unsichtbare Erkenntnisse aus bestimmten Gründen vorzieht. Die Kollisionen mit der Realität sind unausweichlich und man muss sich im Tausch für Hinsehen auf das Sichtbare mit dessen Unabwendbaren ganz und gar blind arrangieren. Man kann aber auch aufhören, mit dem Kopf gegen eine Wand zu rennen und unsichtbare Erkenntnisse so betrachten,  wie sie sich erweisen: Nämlich als nutzlos für ‚handeln‘. Sie dienen lediglich dem eigenen Für-Wahr-halten wollen in Distanz zum Augenschein gegen das, was andere meinen.

Platon hat den Virus des „Idealen“ erfunden – wie es einem Dichter nicht übel genommen werden kann. Es hat ihm möglicherweise gefallen, sich im Besitz übernatürlicher – weil elitärer – Weisheiten zu wähnen. So ging es mir auch. Metaphysische Erkenntnisse – besonders dann, wenn andere, die man liebt, sie auch haben,– sind wie Klebstoff zwischen Menschen, der stillschweigende Übereinstimmung stiftet, in der Art und Weise Welt zu sehen. Mehr als Stillschweigen ist nicht möglich, sobald man in medias res geht, entbrennen verletzende Streitigkeiten. Sich mit der Redewendung „Ich verstehe, was Du meinst!“ retten zu wollen, ist ein weiterer nutzloser Akt.