Hinsehen

Hinsehen ist der Weisheit bester Schluss, wenn man herausfinden möchte, wie etwas geht. Weil viele Philosophen unter der Herrschaft einer großen theologischen Zeit glaubten, sich bestens mit dem Geist und der Seele auskennen zu müssen, haben sie auf das hingesehen, was unsichtbar ist. Sie nannten das ‚wahre Philosophie‘ oder ‚Metaphysik‘.

Man kann metaphysische Erkenntnisse erwägen bzw. produzieren und sie dem Hinsehen vorziehen, und dann erst mal glauben, dass etwas besser funktionieren könnte, weil man unsichtbare Erkenntnisse aus bestimmten Gründen vorzieht. Die Kollisionen mit der Realität sind unausweichlich und man muss sich im Tausch für Hinsehen auf das Sichtbare mit dessen Unabwendbaren ganz und gar blind arrangieren. Man kann aber auch aufhören, mit dem Kopf gegen eine Wand zu rennen und unsichtbare Erkenntnisse so betrachten,  wie sie sich erweisen: Nämlich als nutzlos für ‚handeln‘. Sie dienen lediglich dem eigenen Für-Wahr-halten wollen in Distanz zum Augenschein gegen das, was andere meinen.

Platon hat den Virus des „Idealen“ erfunden – wie es einem Dichter nicht übel genommen werden kann. Es hat ihm möglicherweise gefallen, sich im Besitz übernatürlicher – weil elitärer – Weisheiten zu wähnen. So ging es mir auch. Metaphysische Erkenntnisse – besonders dann, wenn andere, die man liebt, sie auch haben,– sind wie Klebstoff zwischen Menschen, der stillschweigende Übereinstimmung stiftet, in der Art und Weise Welt zu sehen. Mehr als Stillschweigen ist nicht möglich, sobald man in medias res geht, entbrennen verletzende Streitigkeiten. Sich mit der Redewendung „Ich verstehe, was Du meinst!“ retten zu wollen, ist ein weiterer nutzloser Akt.

Geist?

Immer im Gespräch – aber nie entdeckt.

Um sich seiner selbst zu vergewissern, nahm der neuzeitliche Mensch seine Zuflucht zu seinen Gedanken. „Ich denke, also bin ich.“ Dieses Axiom, das wahrscheinlich die kurz gefasste Schlussfolgerung aus einer Vielzahl von Erlebnissen des René Descartes gewesen sein duerfte, wurde in vielfaeltigster Weise von unterschiedlichsten Dichtern und Wissenschaftlern – Philosophen einschließlich – und den diese menschliche Spezies hervorbringenden Jedermaennern – und Jederfrauen zahlreicher Generationen als das angesehen, das einen deutlichen Unterschied zwischen Menschen und anderen Lebewesen machte.

Die alten Griechen koennen irgendwie als Erfinder von ‚Geistigem‘ gelten. Sie waren jedoch weniger versessen darauf, ein ‚unsichtbares Ding‘ mit Substanz und Essenz zu schaffen. Sie waren – wie  auch Dorothea Frede* meint – wohl viel mehr an dem Zusammenhang zwischen  ‚denken‘ und ‚wahrnehmen‘ interessiert. Erst spaeter interpretierte Augustin Thagaste mit anderen griechisches ‚philosophieren‘ in diesem Sinne.  Dass er in diesem Zusammenhang behauptete, die Griechen haetten bereits Vergleichbares in Ansaetzen unternommen, hat sich ungluecklicherweise im Lauf der Jahrhunderte zu ‚Wissen‘ ausgewachsen und philosophiegeschichtliche Sichtweisen begruenden helfen, die wir nur unter Schwierigkeiten revidieren koennen.

* Vgl. Dorothea Frede: Sensus Communis und ‚Synaesthetik‘ bei Thomas von Aquin. In: Hans Adler (2002): Synaesthie. Wuerzburg (Koenigshausen & Neumann), S. 149f.  Bei Google-Buch auszugsweise veröffentlicht und die Stellen zu finden.

Ich gehe von einer anderen Einschaetzung aus, die sich aus meinem ‚philosophieren‘ ergibt: Die Griechen koennten ‚Geist‘ als eine von vielen Moeglichkeiten der Woerter aufgefasst haben, die im gastfreundlichen Kreis mit anderen gemeinsam jeden einzelnen zu Intuitionen anregten, sobald sie jemandem ueber die Lippen kamen. Platons Einfaelle, Ideen, vorgeburtliche Existenz und Metaxy ins Gespraech zu bringen, und damit ‚Geist‘ mit Inhalt zu fuellen, koennen aus meiner Sicht gleichfalls als symposiale Dichtungen angesehen werden.

Auf jeden Fall fahren wir – so meine ich – besser damit, es so zu sehen, als davon auszugehen, die Griechen haetten da etwas entdeckt, ueber das wir verfuegen und mit dessen Hilfe sich so ‚handeln‘ ließe, dass es funktionieren koennte. Wir sollten uns auch nicht davon verwirren lassen, dass in unserem Kulturkreis schon so lang und mit UEberzeugung fuer ‚Geist‘ und gegen ‚Koerperliches‘ gestritten wird. Beide Theorien koennen von immer weniger Menschen – auch Wissenschaftlern – nutzbringend gebraucht werden. Wie Kinder sollten wir uns von den Loesungen unserer Eltern verabschieden, um Herz und Kopf frei zu haben, fuer diejenigen, die unserem eigenen Leben nuetzlich sein koennen.

‚physistisch philosophieren‘ …

 

 

‚physistisch‘ …

 

… ist eine Erfindung des Philosophen Rolf Reinhold.http://www.physistik.de …ist ein von Rolf Reinhold zur Verfuegung gestellter philosophischer Rahmen, der umfasst, was ‚sensorisch wahrnehmen’ ermoeglicht. Innerhalb dieses Rahmens wird mit Konzepten und Annahmen hantiert, die diskurs-offen genutzt bzw. veraendert werden koennen.

 Die Bezeichnung ’sensorisch‘ aktualisiert und verfremdet, was mit ’sensualistisch‘ bzw. ‚Sensualismus‘ im Laufe der Philosophiegeschichte bezeichnet wurde.

 Aktualisiert wird die Bezeichnung ’sensualistisch‘ an Hand neurobiologischer Forschungsergebnisse. Unter ’sensorisch‘ werden alle Prozesse und Aktivitaeten des menschlichen Koerpers gefasst, die das menschliche Gehirn neuronal aktivieren.

 Verfremdet wird die uebliche Vorstellung von ’sensualistisch‘ dadurch, dass der Rahmen fuer ’sensorisch‘ ausschließlich ‚wahrnehmen’ („wara“= Aufmerksamkeit) miteinbezieht. Somit wird innerhalb dieses Rahmens im ‚philosophieren’ ausschließlich das beruecksichtigt, dem ein Mensch ‚sensorisch’ Aufmerksamkeit schenken kann.

 Dies Veroeffentlichung soll dazu dienen, diesen Rahmen bekannt zu machen. Außerdem Schlussfolgerungen, Annahmen, Behauptungen … wissenschaftliche Hypothesen … kurz gesagt: jede Aussage von Menschen in diesem Rahmen zu thematisieren und – falls sich Interessierte einfinden – zu diskursieren.